Im zarten Alter von zwölf Jahren entdeckte ich eine ganz neue Welt für mich: die Scheibenwelt von Terry Pratchett. Anfangs völlig überfordert damit, was mir dieser geniale Schriftsteller eigentlich mitteilen wollte, haben sich bis heute viele Zitate und Weisheiten des Meisters der Fantasie in mein Gedächtnis gebrannt.
Heute kommt mir vor allem beim Lesen von Werbetexten eine Weisheit immer wieder in den Sinn:
„And all those exclamation marks, you notice? Five? A sure sign of someone who wears his underpants on his head.“ Übersetzt etwa: „Diese Ausrufezeichen, hast du die bemerkt? Fünf? Ein sicheres Zeichen dafür, dass jemand die Unterhose auf dem Kopf trägt.“
Dieses Zitat stammt aus dem Buch „Mummenschanz“.
Beim Lektorat von Werbetexten achte ich immer darauf, dass der Text die Balance hält zwischen den Informationen, die den Leser darüber informieren, wie gut das beworbene Produkt ist und zwischen viel zu lautem Geschreie!!!
Zu viele Ausrufezeichen – mögen sie nun kurz hintereinander jeden Satz abschließen oder tatsächlich gehäuft am Ende einer Aussage auftreten – hinterlassen wie übertriebenes Geschrei auf dem Markt auch beim Leser nur das Gefühl unangenehmer Belästigung.
Bei Ausrufezeichen gilt: Weniger ist mehr
Nutzen Sie Ausrufezeichen als kleine Insel der Aufmerksamkeit!
Und nicht als Marktgeschrei!!!! Am besten noch mit GROSSBUCHSTABEN!!!
Das wirkt nämlich nicht nur unprofessionell, sondern verleiht dem Ganzen auch noch einen Hauch von Unwahrheit. Man könnte sagen: „Das, was ich verkaufen will, ist so schlecht, dass es nicht so auffällt, wenn ich einfach sehr laut schreie, dass mein Produkt wirklich! sehr!! sehr!! toll!! ist!!“
Überlegen Sie lieber, was Sie sagen möchten und wen Sie erreichen wollen. Denken Sie an Werbung, die ganz ohne Geschrei – ohne Ausrufezeichen – auskommt. Kaum ein großer Player der Werbebranche setzt heute noch auf die verstärkende Wirkung von Ausrufezeichen. Ausnahmen bilden die oben schon erwähnten kleinen Inseln der Aufmerksamkeit, wie sie ein Discounter beispielsweise in seiner Kampagne „Dann geh doch …!“ einsetzte.
Auch der Betreff ist wichtig
Vor allem im Betreff sorgen Ausrufezeichen dafür, dass weniger Empfänger Ihre E-Mail überhaupt öffnen, denn auch Spam- und Betrugs-E-Mails tragen oft Ausrufezeichen im Betreff. Das ist auch der Grund, weswegen Mail-Provider E-Mails mit Ausrufezeichen im Betreff häufig direkt in den Spam-Ordner schieben.
Verschrecken Sie niemanden unabsichtlich
Auch wenn Sie keine Werbung schreiben, sollten Sie vermeiden, dass die Leute glauben, Sie seien dem Wahnsinn anheimgefallen. Es kann nämlich passieren, dass eine vermeintlich harmlose Mitteilung durch zu viele Ausrufezeichen als negativ missverstanden wird.
Beliebt sind immer Ausrufezeichen nach der Anrede:
„Hallo Frau Müller!!“
Mein erster Impuls ist immer zu überlegen, was ich denn verpasst haben könnte, dass der Absender so einer Anrede dermaßen aufgeregt ist.
„Bitte kommen Sie kurz vorbei!“
Es kann sein, dass es nur die Aufforderung ist, eben im Büro der Kollegin vorbeizuschauen – aber haben Sie bei solchen Aufforderungen per E-Mail nicht auch den kleinen Stich einer Vorahnung, dass etwas nicht stimmt? Etwas muss schiefgegangen sein, ansonsten wäre da kein Ausrufezeichen.
„Mit freundlichen Grüßen!“
Auch Abschiedsfloskeln steht ein Ausrufezeichen schlecht. Einmal davon abgesehen, dass nach so einer Verabschiedung der Name kommen sollte, und zwar ohne Satzzeichen, hinterlässt dieses Ausrufezeichen den Beigeschmack einer wegwerfenden Geste: „Jetzt ist aber Schluss! Lassen Sie mich in Ruhe! Es ist genug!“
Fazit: Egal was Sie verkaufen oder sagen möchten: Zu viele Ausrufezeichen bergen die Gefahr in sich, dass Ihre Texte fehlinterpretiert werden – im Werbetext wirken sie unseriös und in anderen Mitteilungen wecken sie eher negative Konnotationen.
Wenn Sie Ausrufezeichen nutzen, dann immer bewusst, um die Aufmerksamkeit zu lenken.
Speziell für die Werbung gilt: Wenn Sie alles herausschreien, dann wissen Ihre Leser*innen nicht mehr, was denn nun wichtig ist, und Ihre Informationen gehen in einem viel zu lauten Jahrmarkt einfach unter.
Und ganz wichtig: Tragen Sie Ihre Unterhosen bitte nicht auf dem Kopf. Verwenden Sie nur ein Ausrufezeichen am Ende einer Aussage. Das genügt völlig. Glauben Sie mir!